Sonntag, 29. Oktober 2017

Quiltausstellung in St. Petersburg

Kurotschka Rjaba

Jedes Jahr im Oktober wird unter diesem Titel in den Räumen des Kunstvereins in St. Petersburg eine große Quiltausstellung mit angeschlossenem Kunsthandwerkermarkt veranstaltet. Heuer waren die snipSISters aus Freising mit ihrer Ausstellung „Advanced Girls“ dort zu Gast. Wolfgang Eibisch, der seit vielen Jahren in Russland, im Baltikum und in anderen östlichen Ländern als „Quilt-Missionar“ unterwegs ist, hatte den Kontakt hergestellt und die Reise organisiert.

V.l.n.r.: Gonhild Murmann, Eva Wöhrl, Gabi Fischer, Wolfgang Eibisch



Sehr gespannt traten wir, Gonhild Murmann, Gabi Fischer und Eva Wöhrl, mit unseren Begleitern/-innen das Abenteuer an, sämtliche Quilts sorgfältig eingepackt in den größten Koffern, die wir finden konnten. Keine von uns war vorher schon einmal in Russland gewesen, von Sprachkenntnissen ganz zu schweigen. Trotzdem fanden wir uns in der Fünfmillionenstadt schnell zurecht, da die meisten Sehenswürdigkeiten, das Hotel und der Ausstellungsort im Stadtkern liegen. An vielen Stellen sind die Beschriftungen inzwischen auch in lateinischer Schrift, manchmal auch in Englisch angebracht. Das Angebot in Restaurants und Geschäften ist stark an Touristen angepasst. Auch die Reiseformalitäten, Visum und Zoll waren problemlos abgelaufen.


Für den Aufbau der Ausstellung war unter der Leitung der Kuratorin Natalia Merentzewa alles sehr gut vorbereitet worden. Wir hatten eine ganze Wand auf der Galerie des herrlichen Jugendstilsaales zur Verfügung. Für gutes Licht sorgte Tageslicht aus den großen Dachfenstern, am Abend ausreichende Beleuchtung. Auf der gegenüber liegenden Seite waren die Quilts der lettischen Gilde ausgestellt. Zu Ehren von Aina Muze, die großen Einfluss und eine starke Verbundenheit mit der russischen Quiltszene hatte, wurden auch einige Arbeiten von ihr gezeigt.
Im Erdgeschoss gab es eine Zusammenkunft von drei verschiedenen „Kimono“-Ausstellungen. Der Club Galumova aus St. Petersburg hatte sich ausführlich mit der japanischen Kultur auseinandergesetzt und eine wundervolle Kollektion von Quilts in Kimonoform hergestellt. Sie wurden jeweils durch eine bemalte Maske und einen textilen Kopfschmuck ergänzt. Besonders interessant war an diesen Arbeiten, wie sich der russische Stil mit dem japanischen verbinden konnte. Dem gegenüber standen die „Kimono“-Quilts von Pia Welsch in ihrem ganz persönlichen Stil, mit viel Maschinenstickerei und dreidimensionalen Elementen. Der dritte Teil waren handbedruckte historische Kimonos aus der Sammlung von Lana Letta.


Bild oben: Quilts von Gabi Fischer
Mitte: Gonhild Murmann
unten: Eva Wöhrl


In dem angegliederten Kunsthandwerkermarkt konnte man viele originelle und teilweise kunstvolle Produkte finden. Mit Kleidern aus Ecoprint-gefärbten Leinenstoffen wurde auch eine elfenhafte Modenschau inszeniert. Oksana Vinnichenko begeisterte mit filigranen Landschaftsbildern.
Es kamen sehr viele Besucher in die Ausstellung, die sich sehr für die technische Ausführung der Quilts und die künstlerische Gestaltung interessierten und häufig nachfragten. Zu dem von uns gewählten Frauenthema entstand anschließend im russischen sozialen Netzwerk eine kontroverse Diskussion. Die Sorgen und Probleme von Frauen sowie ihre gesellschaftliche Stellung in den unterschiedlichen Kulturen waren wohl in früheren Zeiten ähnlich gewesen, entwickelten sich aber im 20. Jahrhundert unterschiedlich.
Die Rückreise nach einer sehr interessanten Woche traten wir ohne unsere Quilts an – die reisen nämlich weiter nach Moskau zur „Grand Textil“ im November und zur Messe für Kunsthandwerk und Kunstgewerbe in Perm/Ural im Februar. Das Thema Russland wird uns also in nächster Zeit nicht loslassen. Wir würden uns auch sehr freuen, wenn ein Gegenbesuch der St. Petersburger Quilterinnen in Deutschland zustande käme.
Sollten Sie einmal nach St. Petersburg fahren wollen: die prächtige Herbstfärbung und die nächtliche Beleuchtung der Stadt im Oktober waren sehr beeindruckend. Viele bevorzugen aber den Juni/Juli mit den „weißen Nächten“, wenn es kaum dunkel wird und man die langen Abende genießen kann. Besondere Highlights der Besichtigungen waren für uns die großen staatlichen Museen. Die Eremitage mit dem Winterpalast ist an einem Tag nur auszugsweise zu schaffen (wir brachten es auf 10 Stunden!). Glücklicherweise konnten wir noch eine vielgelobte Sonderausstellung mit kürzlich restaurierten Zarengewändern bewundern – mit einer Führung durch Marina Blumin, der Textil-Expertin des Museums. Das Russische Museum ist eine riesige Kunstgalerie mit verschiedenen Sammlungen russischer und europäischer Gemälde, Porzellan und Textilien. Das Ethnographische Museum zeigt unzählige sehr abwechslungsreich präsentierte Trachten und Gebrauchsgegenstände sämtlicher Völker der ehem. Sowjetunion. Hier bekamen wir eine Führung mit der Leiterin des Museums, Frau Kalaschnikowa, und durften sogar die Schatzkammer mit kostbarem traditionellem Schmuck besichtigen. Entspannung nach dem ganzen Kunstgenuss kann man in einem der vielen Parks finden, z.B. im romantischen Sommergarten.